B E T Suisse Newsletter 03/2021



Geschätzte Kunden, Partner und Freunde der B E T Suisse

In unserem aktuellen Newsletter haben wir wieder spannende Themen, die Sie und uns beschäftigen, für Sie beleuchtet. 

Als besonderes Highlight durften wir Herrn Jörg Spicker, Senior Strategic Advisor bei der swissgrid AG, exklusiv zu seiner Einschätzung der Folgen der gescheiterten Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU befragen.   
Zudem präsentieren wir Ihnen einen kurzen Projektbericht über die Nutzung intelligenter Messsysteme zum Managen von Flexibilität im Stromnetz sowie eine Analyse von Fördermöglichkeiten im Bereich erneuerbarer Energien und insbesondere von Photovoltaik in der Schweiz. Ebenfalls hochaktuell zeigen wir Möglichkeiten einer Gas-Wärme-Strategie auf.

Vor dem Hintergrund steigender Strompreise werfen wir schließlich einen Blick auf die Kosten für Ausgleichsenergie

Die BET Suisse AG hat auch in diesem Jahr wieder aktiv am Innovationsforum Energie teilgenommen, welches Ende August in Zürich – endlich wieder in Präsenz! - stattgefunden hat. Lassen Sie sich von einer kleinen Zusammenfassung inspirieren. 

Darüber hinaus laden wir Sie ein, an den Aachener Energiewochen – unserem digitalen Format im Oktober zu den aktuellen Herausforderungen in der Energiewirtschaft und zu den Erwartungen an die neue deutsche Bundesregierung - kostenfrei teilzunehmen. 

Für die Transformation der Energiewirtschaft gibt es noch viel zu tun, zu untersuchen und zu entscheiden. Die Schweizer Energiewirtschaft muss zeitnah Strategien festlegen und entscheidende Weichen stellen. Hierbei stehen wir Ihnen weiterhin mit Rat, Tat und innovativen Ideen zur Seite.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen der dritten Ausgabe unseres Newsletters.

Mit freundlichem Gruss

Ihr Dr. Alexander Kox

Verwaltungsratspräsident
B E T Suisse AG


Exklusiv: Interview mit Jörg Spicker, Swissgrid, zum verpassten Rahmenabkommen mit der EU und seine Folgen 

(Dies ist eine gekürzte Version. Das gesamte Interview finden Sie hier.)

Wenn wir heute auf den Strommarkt in der Schweiz zurückblicken, so gehörte bislang noch die Umsetzung der Energiestrategie 2050 oder das Ringen um die Öffnung des Strommarktes nebst den Vernehmlassungen und Diskussionen zum StromVG zu den Top-Themen. Dies hat sich seit Mai diesen Jahres geändert, denn nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen mit der EU ist der dringend benötigte Abschluss eines Stromabkommens in weite Ferne gerückt. 

Auch die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) hat sich kritisch zum Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU geäussert. Der Bundesratsentscheid, die Verhandlungen zu stoppen, habe die Lage in Bezug auf die Stromversorgungssicherheit verschärft, so die ElCom. Die Folgen für die Versorgungssicherheit werden unterschiedlich kommentiert, denn die Schweiz ist bereits seit Jahren im Winter auf Stromimporte angewiesen. 

Wir haben Jörg Spicker, Senior Strategic Advisor bei Swissgrid AG nach seiner Einschätzung gefragt:

Herr Spicker, als nationaler Übertragungsnetzbetreiber stellt Swissgrid die Schnittstelle zum europäischen Ausland und sichert die Stromübertragung und vor allen Dingen den Import zu Zeiten, in denen die heimische Stromerzeugung den Bedarf nicht decken kann. Swissgrid hat seit Jahren betont, wie wichtig das Stromabkommen für die europäische Integration des Schweizer Übertragungsnetzes ist. Wie enttäuscht sind Sie, dass die Verhandlungen mit der EU nun gescheitert sind? Welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen sehen Sie?

Jörg Spicker:
Wir haben seit vielen Jahren auf die Wichtigkeit und die Notwendigkeit eines Stromabkommens hingewiesen. Zumindest haben wir nach dem Verhandlungsabbruch zum Rahmenabkommen nun auch Klarheit: Ein Stromabkommen wird in nützlicher Frist nicht abgeschlossen werden. Swissgrid hat sich natürlich auf diesen Fall vorbereitet. Die Verhandlungen wurden ja in verschiedenen Phasen bereits seit 2007 zwischen der EU und der Schweiz geführt. Auch wenn Swissgrid selbst an den Verhandlungen nicht beteiligt war, wussten wir, dass es um die Übernahme der Regelungen des 3. Richtlinienpakets der EU ging. Später kam dann das «Clean Energy Package», also das 4. Paket mit vielen neuen Regelungen für die Netzbetreiber und die Strombranche insgesamt. Diese neuen Regelungen des CEP waren jedoch noch nicht Teil des Verhandlungsmandats.

Es war uns klar, dass es keinen kurzfristigen Abschluss eines Rahmenabkommens geben würde, welches sowohl beim Bundesrat, im Parlament und auch bei der Bevölkerung auf Akzeptanz stösst. Spätestens 2016/2017 haben wir die konkreten Konsequenzen unseres Ausschlusses aus dem Market-Coupling (Day-Ahead-Market-Coupling) festgestellt, nämlich eine Zunahme ungeplanter Stromflüsse auf unserem Netz, was wiederum zu einem Anstieg des Redispatch und damit zu einem Problem der Versorgungssicherheit führen könnte, denn der Redispatch wird in erster Linie aus Schweizer Wasserkraft zur Verfügung gestellt. 

Mit der Implementierung der System Operation Guideline (SO GL) in der EU war klar, dass es Vorschriften geben muss, welche die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im europäischen Netzbetrieb regeln. Hierzu haben die europäischen Netzbetreiber (sowohl der EU als auch der Drittstaaten) das Synchronous  Area Framework Agreement (auf Basis der o.g. SO GL) abgeschlossen. Dabei gelang es Swissgrid, eine spezielle «Schweiz-Klausel» zu verhandeln mit der wir uns verpflichtet haben, einen grossen Teil der europäischen Regelungen zu übernehmen und im Gegenzug unser Remedial-Action-Portfolio (Redispatch u.a.) als Beitrag zur Systemsicherheit zu erweitern. 
 

Gibt es denn vielleicht – aus Sicht der Schweizer Energiewirtschaft – eine Chance auf ein separates Stromabkommen, welches unabhängig von den anderen diskutierten Themen eine Möglichkeit zur besseren Integration in den europäischen Strommarkt bieten könnte? Mit einem privatrechtlichen Abkommen zum Beispiel auf technischer Ebene, so wie es Swissgrid bereits mit einigen europäischen Übertragungsnetzbetreibern verhandelt, könnte man die Netzstabilität gewährleisten, das wäre in jedem Fall besser als der Status Quo. 

Jörg Spicker:
Auf Basis des zuvor genannten Synchronous Area Framework Agreement können privatrechtliche Verträge mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern (TSO) abgeschlossen werden. Solche Verträge ermöglichen uns die Teilnahme an bestimmten Prozessen. Der Abschluss und die Umsetzung in der Schweiz wird sehr genau durch die ElCom beobachtet, denn es gilt eine schleichende Übernahme von EU-Recht zu vermeiden. 

Der Prozess der Implementierung ist noch nicht vollständig abgeschlossen, denn auch die Branche ist von der Übernahme bestimmter Regelungen betroffen, die wir in unserem revidierten Transmission Code (sozusagen das Betriebshandbuch) als Branchendokument übernehmen mussten. Swissgrid hat mit der Verhandlung und der Umsetzung hier quasi im «Sandwich» zwischen der EU und der Schweiz agiert. Wobei ich betonen möchte, dass diese Lösungen ein Stromabkommen nicht ersetzen können, sie sind von vorneherein als Übergangslösung angelegt.

Auch in den privatrechtlichen Verträgen müssen eine Reihe von EU-konformen Regelungen berücksichtigt werden, so dass sicherlich auch verschiedene Dinge zu übernehmen sind, die wir gerne ausgeschlossen hätten. Am Ende bedürfen diese Verträge dann der einstimmigen Genehmigung der beteiligten TSO und aller Regulatoren.

Eine weitere Lösung wäre ein sogenanntes «technisches Stromabkommen» das verschiedene Bestandteile des gescheiterten EU-Rahmenabkommens beinhaltet, aber dennoch als «Stand-alone-Lösung» umsetzbar wäre. Hier stellt sich aber die Frage, ob und inwieweit dann die Schweiz auch tatsächlich an den Marktvorteilen beteiligt wäre, die das Rahmenabkommen beinhaltet hätte. 

Ob ein solches, rein technisches Abkommen aber realistisch ist, kann vor dem Hintergrund der politischen Situation derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden.
 

Gibt es denn jetzt für die EU noch genügend Motivation und Druck, an weiteren Verhandlungen mit der Schweiz festzuhalten?

Jörg Spicker:
Neben dem Wohlfahrtsvorteil eines gemeinsamen Marktes sehe ich hier folgende drei Punkte, aus denen auch die EU eine starke Motivation ziehen sollte, die Verhandlungen fortzuführen:

1. Netzsicherheit

Der EU ist klar, dass eine Störung des Netzbetriebes in der Schweiz auch grossräumigere Auswirkungen haben würde. Andererseits gehen die Bestandteile des Clean Energy Package davon aus, dass die Systemzusammenarbeit und die Netzsicherheit mit der Schweiz funktioniert. Eine Störung in der Schweiz, auf Grund der fehlenden Einbindung in netzsicherheitsrelevante Prozesse im europäischen System, würde sich auch auf die Nachbarländer auswirken. Wir wissen, der Systemstress nimmt zu (Zunahme von Handel, Zunahme volatiler Erzeugung, Rückgang von rotierenden Massen im System etc.) und wir müssen nicht nur in der Schweiz immer häufiger in den Systembetrieb eingreifen. Bedenken Sie, wir hatten allein in diesem Jahr bereits zwei System-Splits (Aufsplittung des Netzes in zwei Teile durch eine Grossstörung) in Europa. Was vor 2021 in der Geschichte unseres Stromverbundnetzes erst einmal passiert ist, mussten wir in diesem Jahr bereits zweimal erleben. 

2. Versorgungssicherheit

Jedes Land in der EU baut darauf, dass im Falle eines Lieferengpasses aus den Nachbarländern importiert werden kann. Wenn die Schweiz aber nicht auch exportieren kann, weil Kapazitäten hierzu fehlen und wir in die europäischen Prozesse nicht eingebunden sind, fällt hier ein bisher verlässlicher Partner unter den Tisch. 

3. Klima

Die Schweiz kann mit ihrer CO2-neutralen Wasserkraft sehr gut zu den Zielen des europäischen Green Deal beitragen. Die EU würde wichtige Chancen vergeben, nutzt man unsere Ressource nicht. 

Ist das Nicht-Zustandekommen eines Stromabkommens damit vor allem ein Problem des Übertragungsnetzbetreibers Swissgrid und der EVU, die im internationalen Grosshandel tätig sind? Inwiefern sind auch kleinere und mittlere EVU in unterlagerten Netzebenen betroffen?

Jörg Spicker:
Insbesondere in der Westschweiz sind in der Tat auch die Verteilnetzbetreiber beispielsweise von den ungeplanten Stromflüssen auf Grund der historisch gewachsenen Netzstruktur betroffen. Der neue Transmission Code hält zudem Anforderungen an den Datenaustausch bereit, den wir mit unseren nachgelagerten Netzbetreibern pflegen. 

Es gibt Netzbetreiber, die Energie liefern und auch eine Bilanzgruppe verantworten. Neben eigener Erzeugung importieren diese Werke auch, sie kaufen ggf. am Schweizer Handelsplatz ein. Wenn nun aber die Importfähigkeit nicht mehr vorhanden ist, stehen die Netzbetreiber und auch deren nachgelagerte Netze ohne Energie da, es gibt ja kein Grundrecht auf Importfähigkeit.

Das Interview führten Micha Ries und Dr. Alexander Kox

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Aachener Energiewochen – Ein digitales Format von BET für die Gestalter*innen der Energiewende

4 Wochen – 1 Blick in die Zukunft – 13 Webinare

Bei der kommenden Bundestagswahl am 26. September werden die Weichen gestellt für die zukünftige deutsche Energiepolitik. Eine Woche nach der Bundestagswahl, am 5. Oktober, starten die (digitalen) Aachener Energiewochen 2021.
Wir bieten mit den Aachener Energiewochen eine Plattform zum Austausch und zur Diskussion vieler energiewirtschaftlicher Zukunftsthemen.
 
In der Auftaktveranstaltung am 5. Oktober erörtert BET gemeinsam mit den Vertreter*innen der Verbände,
  
„Welche Topthemen gehören ganz oben auf die Agenda der neuen Bundesregierung?“.
 
Im Anschluss begleitet BET Sie 4 Wochen lang mit 13 kostenlosen Webinaren und digitalen Workshops zu wichtigen Zukunftsthemen.
 
Seien Sie dabei und stellen Sie sich Ihr Programm individuell zusammen!

Programm und Anmeldung

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Mit intelligenten Messsystemen dezentrale Flexibilitäten managen

Ulrich Rosen | Dr. Wolfgang Zander

Das schweizerische Stromsystem steht im Rahmen der Schweizer Energiestrategie vor einem grundlegenden Umbau, der auch die Verteilnetzbetreiber vor neue Herausforderungen stellt. Durch eine Vielzahl von neuen PV-Anlagen und flexiblen Lasten wie Wärmepumpen sowie privaten Ladeeinrichtungen für Elektromobile bei den Kleinkunden wird das Stromsystem deutlich kleinteiliger und dezentraler. Es stellt sich die Frage, wie diese neue Kundengruppe von flexiblen Verbrauchern und Prosumern in das Stromsystem integriert werden soll. 

Für die Energievertriebe bieten sich neue Chancen durch die Nutzung der kundenseitigen Flexibilität z. B. in Form von zeitvariablen bzw. dynamischen Stromtarifen und neuen digitalen Geschäftsmodellen. Auch für die Verringerung der Netzbelastung und die Einsparung vorgelagerter Netzentgelte kann die kundenseitige Flexibilität genutzt werden. Die Herausforderung besteht darin, dass die betreffenden Kleinkunden keinen persönlichen Aufwand mit der Nutzung ihrer Flexibilität und erst recht keinen Komfortverlust hinnehmen wollen. Darüber hinaus wird die Zahl dieser Kunden stark wachsen, umgekehrt sind die Volumina und damit die erzielbaren Deckungsbeiträge beim einzelnen Kunden gering. Erfolgreiche Geschäftsmodelle mit flexiblen Kleinkunden setzen voraus, dass geringe Transaktionskosten und ein hoher Automatisierungsgrad erreicht werden können. 

Der anstehende flächendeckende Rollout intelligenter Messysteme kann für die Messung, Abrechnung und Steuerung flexibler Kleinkunden genutzt werden und bietet dadurch ein großes Synergiepotenzial für eine wirtschaftliche Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle. Es stellt sich die Frage, welche Steuerungstechnik und welche Kommunikationswege für das Management dezentraler Flexibilitäten zukünftig eingesetzt werden sollen: Sollen die bisherigen Technologien der Tonfrequenz- oder Funkrundsteuerung weitergenutzt, die Netzleit- und Fernwirktechnik ausgebaut oder die intelligenten Messsysteme um eine Steuerungsfunktion erweitert werden? Ist eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur verfügbar, muss auf öffentliche Funktechnologien ausgewichen werden oder kann das Stromnetz selbst als Kommunikationsnetz fungieren (Breitband-PLC)?

Für die Energieversorger stellen sich für die Auswahl einer zukunftsfähigen Steuerungstechnik folgende Leitfragen: 

  • Wie viele dezentrale Erzeugungsanlagen und flexible Lasten werden in meinem Netz zukünftig entstehen und welcher Steuerungsbedarf entsteht hierdurch vertriebs- und netzseitig?
  • Stehen in meinem Netz ausreichend Leistungsreserven für neue dezentrale flexible Lasten und Erzeuger zur Verfügung oder ist in naher Zukunft mit Netzengpässen zu rechnen?
  • Reichen auch zukünftig einfache Ein-/Aus-Befehle für wenige Kundengruppen oder ist eine individuelle stufenlose Steuerung erforderlich?
  • Wie beeinflussen IoT-Anwendungen und hierauf beruhende Geschäftsmodelle die Wahl der Kommunikationswege? Welche Bedeutung werden IP-basierte Kommunikationsanbindungen zu den Endgeräten der Kunden erlangen?
  • Wird zukünftig eine bidirektionale Kommunikation benötigt, wie zuverlässig muss diese sein und wie zeitkritisch ist die Versendung und Rückmeldung von Steuersignalen?
  • Ermöglichen die regulatorischen Vorgaben eine wirtschaftliche Nutzung der Flexibilitäten oder stellen diese eher ein Hindernis dazu dar?

Eine immer wichtigere Rolle spielt angesichts des erwarteten Zubaus dezentraler und steuerbarer Anlagen auch der Datenschutz und die Cybersicherheit. Die Summenleistung der dezentralen Anlagen wird zukünftig eine Größenordnung annehmen, die die Systemstabilität gefährden kann, wenn sie nicht ausreichend sicher gesteuert wird.

Die vorstehenden Aspekte wurden in Rahmen eines Projektes für die IB Langenthal AG als Basis für eine strategische Positionierung analysiert und bewertet.

«Die Beratung durch BET hat uns die dringend notwendigen Ansatzpunkte geliefert, um dieses vielschichtige und komplexe Thema strukturiert und zielgerichtet anzugehen. Wir machen nun kleine, aber stetige Fortschritte in die richtige Richtung.» erklärte Stefan Schaad-Meer, Leiter Bereich Vertrieb und Mitglied der Geschäftsleitung bei der IB Langenthal AG.

Gerne unterstützt BET auch Ihr Unternehmen bei entsprechenden Fragestellungen.

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Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für Investitionen in Photovoltaik

Micha Ries

Im vergangenen Jahr stammte der Strom aus Schweizer Steckdosen zu rund 76% aus Erneuerbaren Energien, davon zu 66% aus Grosswasserkraft und zu rund 10.3% aus Photovoltaik, Wind, Kleinwasserkraft und Biomasse. 20% stammten aus Kernenergie und knapp 2% aus Abfällen und fossilen Energieträgern. Für 2% des gelieferten Stroms sind Herkunft und Zusammensetzung nicht überprüfbar1.

Mit Blick auf die Ziele der Energiestrategie 2050 (ES 2050) sowie auf die Revision StromVG und die angestrebte Liberalisierung des Strommarktes, gewinnen die erneuerbaren Energien zudem weiter an Bedeutung. Die Stromversorgung wird durch unterschiedlichste Themen und den „Big Points“ getrieben:

  1. Abkehr von der Atomkraft
  2. Anstieg des Strombedarfs durch Dekarbonisierung bzw. CO2-Neutralität
  3. Belieferung der Kunden in der Grundversorgung mit einheimischem Ökostrom

Um den enormen Bedarf an erneuerbaren Energien künftig decken zu können, muss die Erzeugungsleistung deutlich angehoben und in die entsprechenden Technologien investiert werden. 

Ähnlich wie in den umliegenden, europäischen Staaten, hält auch die Schweiz ein Vergütungssystem vor, welches die Erneuerbaren fördern soll. Insbesondere die Photovoltaik soll neben der heimischen Wasserkraft den Bedarf decken und in der Tat kann man inzwischen von einem Boom sprechen, denn im Jahr 2020 hat es einen Zubau von 50% und in 2021 immerhin von 30% gegeben, so das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE).

Doch die Fördermittel, die bisher zur Verfügung standen, reichen nicht aus, um die Warteliste vollständig abzubauen und alle Anlagen in das Einspeisevergütungssystem (KEV) aufzunehmen.

Die KEV ist bereits nicht mehr kostendeckend, so dass sie neu und kostenorientiert ausgestaltet wurde, und darüber hinaus für grosse Anlagen beispielsweise seit 2018 die Direktvermarktung gilt. Die KEV läuft dennoch zum Ende 2022 aus. Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden keine neuen Anlagen mehr in dieses Fördersystem aufgenommen. Demgegenüber wird die Einmalvergütung (EIV) zum Hauptfördersystem für Photovoltaikanlagen. Auch grosse Photovoltaik-Anlagen werden gefördert und können die EIV beantragen. Dieses Instrument ist nun bis 2035 vorgesehen2. Darüber hinaus sollen grosse Photovoltaikanlagen künftig mittels wettbewerblicher Ausschreibungen gefördert werden.

Mit der Installation rein auf den Dächern von Privat- und Wohnhäusern werden die Ausbauziele aber nicht erreicht werden können. PV-Parks, Grossanlagen oder Solar-Kraftwerke werden zur Lieferung der benötigten Leistung dringend benötigt. Hierzu kann jedoch die reguläre Einmalvergütung in Höhe von bis zu 30% der Investitionskosten (bemessen an einer Referenzanlage) kaum den nötigen Anschub bieten. Daher wurde eine Förderung speziell für grosse Anlagen >100 kW ins Leben gerufen, welche sich sodann mit bis zu 60% an den Investitionskosten beteiligt. Auch wenn die Akzeptanz solcher grösseren Anlagen erst noch wachsen muss und Freiflächen insgesamt noch fehlen, so werden die Flächen beispielsweise auf den Dächern von Industrie und Gewerbe von Interesse, genauso wie die Flächen auf öffentlichen Gebäuden in den Kantonen. 

Die Systemintegration der dezentralen Einspeiser hat dem Vernehmen nach bisher noch keine grösseren Probleme erzeugt, noch äussern sich auch die Netzbetreiber eher zurückhaltend. Sollte die Situation aber künftig kritisch werden, weil die Netze an die Grenzen ihrer Kapazität gekommen sind, müssen mögliche Gegenmassnahmen geregelt werden. Ein Abregeln der dezentralen Einspeiser beispielsweise ist mangels gesetzlicher Grundlagen nicht möglich. Auf Rückfrage beim Bundesamt für Energie (BFE) sieht man dort auch eher Bedarf im Bereich der Lasten, beispielsweise in der Elektromobilität, deren Gleichzeitigkeit im Ladevorgang später einmal zu Netzengpässen führen könnte.

Neben den benötigten PV-Grossanlagen ist auch noch ein weiteres Modell im Aufschwung. Der Eigenverbrauch (von selbst erzeugtem Solarstrom) und insbesondere das Modell des „Zusammenschluss zum Eigenverbrauch“ (ZEV) sind hochinteressante Instrumente für Erzeuger und Verbraucher gleichermassen. Hier geht es darum, dass Nachbarn das Recht auf einen virtuellen Zusammenschluss haben und von selbst produziertem Ökostrom profitieren können. Darüber hinaus kann über das Modell ZEV die Grenze zum Marktzugang gerissen und der Reststrom am freien Markt beschafft werden. Der virtuelle Kunde arbeitet mit einer eigenen Messung und beteiligt sich an den Netzkosten seines Netzbetreibers nur mit der Netzentnahme, nicht mit dem Brutto-Verbrauch. Dies gilt neben den Netzentgelten auch für die Umlagen. Auch diese Vorteile können als indirekte Förderinstrumente gesehen werden.

Mantelerlass sieht weiteren Handlungsbedarf vor

Der Bundesrat hatte als Mantelerlass aus der Revision des Energie- und der Revision des Stromversorgungsgesetzes im Juni 2021 Eckpunkte des „Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien“ bestätigt, worin u.a. die derzeitige Förderung für die erneuerbare Stromproduktion bis 2035 verlängert werden soll. Zudem sollen Detailfragen zu der künftigen Ausgestaltung der Netztarife auch als Steuerungselement implementiert werden und das Heben von Energieeinsparpotenzial, beispielsweise im Bereich der Elektroheizung. 

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Förderung der Winterstromproduktion und der Aufbau einer strategischen Energiereserve im Schatten des gescheiterten Stromabkommens mit der EU. Die bisherige Selbstversorgungsfähigkeit der Schweiz soll insbesondere auch nach dem Ausstieg aus der Atomkraft erhalten bleiben. Dazu werden aber zusätzlich zum angestrebten Zubau der erneuerbaren Stromproduktion (Zielwert bis 2050: 39 TWh) bereits bis 2040 weitere 2 TWh klimaneutrale Stromproduktion benötigt, die vor allem auch im Winter abrufbar ist. Der Bundesrat will solche Anlagen (hier in erster Linie grosse Speicherkraftwerke) mit einem «Winterzuschlag» finanzieren. Dieser ist im Stromversorgungsgesetz bereits zur Vorbeugung gegen mögliche Versorgungssicherheitsdefizite enthalten. Zudem soll eine strategische Energiereserve etabliert werden. Sie sorgt zusätzlich zu den Mechanismen im Strommarkt dafür, dass auch gegen Ende des Winters genügend Energie verfügbar ist. Daneben leistet der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien auch im Winter einen zunehmend wichtigen Beitrag zur längerfristigen Versorgungssicherheit der Schweiz3.

1 Quelle: BFE

2 Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vom 18.06.2021

3 Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vom 18.06.2021

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Erdgasausstieg stellt Schweizer Wärmesektor vor grosse Herausforderungen

Sebastian Seier

Gut zwei Jahre ist es her, dass der Bundesrat das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 für die Schweiz ausgegeben hat. Anfang dieses Jahres folgte die „Langfristige Klimastrategie 2050“. Sie enthält einen Fahrplan, wie die notwendigen Reduktionen der Treibhausgasemissionen erreicht werden können.

Für die Energieversorger bedeutet die Klimaneutralität ein fundamentaler Wandel des aktuellen Geschäftsmodells. Besonders betroffen: der Gas- und Wärmesektor. 15 % des Endenergieverbrauchs in der Schweiz ging im Jahr 2020 auf Erdgas zurück und liegt – trotz steigender CO2-Abgabe – somit seit über einem Jahrzehnt recht stabil bei rund 30 TWh pro Jahr.

Die grössten Verbraucher sind dabei die Haushalte und Dienstleistungen, die gemeinsam im vergangene Jahr 20 TWh Erdgas – v. a. für die Raumwärme – verbrauchten. Erdgas und Heizöl (24 TWh) machen somit knapp die Hälfte des Wärmebedarfs in Gebäuden aus.

Beide Energieträger werden gemäss der langfristigen Klimastrategie bis 2050 jedoch gen Null sinken und schon bis 2030 um fast die Hälfte zurückgehen. An ihre Stelle treten v. a. dezentrale erneuerbare Energien wie Solar- und Geothermie sowie Biomasse. Zudem ist v. a. im Neubaubereich mit einem zunehmenden Einsatz von Wärmepumpen und bei Bestandsgebäuden mit einem Ausbau der Fernwärmeversorgung zu rechnen.

Insbesondere Gasversorger stehen somit vor grossen Herausforderungen: In den kommenden Jahren wird der Absatz von Erdgas massiv zurückgehen. Theoretisch könnten die wegfallenden Mengen des fossilen Gases durch eine zunehmende Beimischung von Wasserstoff kompensiert werden. Dies würde jedoch mittelfristig eine kostenintensive und organisatorisch aufwendige flächendeckende Umrüstung von Kundenanlagen sowie der Verteilinfrastruktur nach sich ziehen. In der Langfristigen Klimastrategie spielt Wasserstoff für den Gebäudesektor keine tragende Rolle.

Sinkende Absatzmengen und konstante (oder sogar steigende) Kosten für die Gasinfrastruktur werden somit zu immer weiter steigenden Gaspreisen für die Endverbraucher führen, was wiederum die Umrüstung auf nicht-fossile Wärmetechnologien beschleunigen wird. Diese Preisspirale wird durch die weiter steigende CO2-Abgabe zusätzlich befeuert. Ab 2022 beträgt sie 120 Franken pro Tonne CO2 und damit ca. 2,4 Rp. pro kWh Erdgas.

Was können Energieversorger tun? 

Gasversorger sollten sich zeitnah eine langfristige Strategie für das Wärmegeschäft zurechtlegen. Hierzu gehört eine sektorübergreifende Analyse der zukünftigen Versorgungsaufgabe: welche Kundengruppen können zukünftig mit welchen Technologien mit klimaneutraler Wärme versorgt werden? Hierfür ist die GIS-basierte Erstellung eines lokalen Wärmeatlas ein hilfreiches Werkzeug.

Darauf aufbauend können Handlungsoptionen abgeleitet und Geschäftsstrategien entwickelt werden:

  • Wie und bis wann können dezentrale Wärmetechnologien im eigenen Versorgungsgebiet schrittweise Erdgas und Heizöl ersetzen?
  • Welche neue Geschäftsmodelle können den wegfallenden Gasabsatz kompensieren? Macht es Sinn, in das Geschäft mit Wärmepumpen oder Biomasseheizungen für Einzelhäuser einzusteigen?
  • Wo ist ein Ausbau der Fernwärmeversorgung technisch machbar und ökonomisch sinnvoll?
  • Welche Teile des Gasnetzes werden ggf. zukünftig für die Wasserstoffversorgung benötigt und müssen entsprechend ertüchtigt werden?
  • Wie kann der Rückbau des Gasnetzes gestaltet werden? An welchen Leitungen werden noch länger ausreichend Gaskunden verbleiben?
  • Wie ist eine Kostenexplosion für die verbleibenden Gaskunden zu verhindern?

Diese neuen inhaltlichen Fragestellungen und Aufgaben stellen die Versorgungsunternehmen vor die Herausforderung, wie sie die notwendigen Veränderungen angehen. Neben den strategischen Weichenstellungen, welche Geschäftsfelder sie im Wärmebereich abdecken wollen, ist zu klären, welches Know-how aufgebaut werden muss und wer für den Umbau des Wärmesektors zuständig sein soll. In den Ausbau der Fernwärmeversorgung und einen möglichen Rückbau des Gasnetzes müssen zudem auch die Kommunen einbezogen werden. 

Für Rückfragen und Ideen, wie Sie diese Themen angehen können, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. 
Kontakt: Sebastian Seier

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Innovative Geschäftsmodelle als Weg in eine wirtschaftlich attraktive Zukunft? Welche Technologien, Strategien und Zielbilder verfolgen die Unternehmen im Schweizer Markt?

Dr. Christiane Michulitz | Dr. Michael Ritzau

Am 30. und 31. August fand in Zürich das diesjährige Innovationsforum Energie statt. Rund 100 Branchenvertreter*innen haben hier die Fragen von Digitalisierung, Dezentralisierung, Dekarbonisierung und zukünftiger Wertschöpfung diskutiert.

BET hat aktiv an diesem Forum teilgenommen: Dr. Michael Ritzau als Energiemarkt-Experte bei der Podiumsdiskussion zum Realitätscheck Wasserstoff und Dr. Christiane Michulitz als Referentin im Fachforum für Innovation und Unternehmenskultur im Energiesektor.

Sowohl auf dem Podium als auch im Forum wurde deutlich: Der Schweizer Markt ist im Umbruch. Es bedarf einer differenzierten strategischen Positionierung, um die passenden Geschäftsmodelle für die Zukunft zu identifizieren. Wie man das macht, haben die beiden BET-ler*innen im Rahmen eines Interviews beantwortet. 

Frau Dr. Michulitz, welche Schritte muss ein Versorgungsunternehmen gehen, um sich solide für eine digitalisierte Welt aufzustellen?

Christiane Michulitz:  Eine sauber formulierte Strategie gibt ein klares Zielbild für die Menschen. Sie bildet den Rahmen, um die Organisation daraufhin passend auszurichten. Unsere Studie zum EVU 2030 liefert Szenarien, um dieses Bild zu kreieren. Das EVU 2030 ist nicht nur digital, sondern auch klimaneutral und wertschätzend. Was das bedeutet, muss für alle Geschäftsfelder individuell festgelegt werden.

Welche Aspekte sind für die Ausrichtung eines Energieversorgers auf eine zukunftsfeste Strategie zentral?

Christiane Michulitz: Eine zielgerichtete Transformation hin zum EVU 2030 braucht eine Bestandsaufnahme. Mit der Analyse der heutigen Aufgaben, Kapazitäten und Kompetenzen ist die Basis für die Veränderung gelegt. Ausserdem braucht es klare strategische Ziele für alle Geschäftsfelder. Aufbauend auf einem Zielbild und messbaren Zielwerten kann die Neuausrichtung der Organisation gelingen: Für die Personaldimensionierung der Zukunft muss ich wissen, welche Menge von Leuten brauche ich mit welchem Qualifikationsprofil. Für die Prozessoptimierung braucht es eine eindeutige Positionierung über Kernfunktionen und die gewünschte Wertschöpfungstiefe. Alte und neue Geschäftsmodelle müssen geprüft und mit Business Cases unterlegt sein. 

Welchen Trend sehen Sie im Umgang mit vorhandenen und neuen Geschäftsmodellen? 

Christiane Michulitz: Viele Versorger prüfen nach dem Lean-Management-Prinzip arbeite smarter nicht härter (work smarter not harder) ihre Geschäftsprozesse und greifen bei steigender Komplexität verstärkt auf Dienstleistungen zurück. In der nächsten Stufe bündeln sie in Kooperationen mit anderen Stadtwerken Serviceprozesse. Ausserdem gibt es eine Tendenz zur Fusion im Kerngeschäft. Der zweite grosse Trend ist die zu beobachtende kulturelle Transformation: Mit der Verflachung der Hierarchien und der Notwendigkeit beidhändig das alte und das neue Geschäft nebeneinanderher zu führen, findet kulturell eine Agilisierung statt. Im EVU 2030 begegnen sich dezentral aufgestellte Teams auf Augenhöhe. 

Herr Dr. Ritzau, wo sehen Sie die grossen Herausforderungen für den Schweizer Energiemarkt? 

Michael Ritzau: Die Schweiz hat gute Voraussetzungen für eine klimaneutrale Energieversorgung durch das Wasserkraftpotenzial. Internationale Verflechtungen werden weiter zunehmen: Es braucht eine Strategie zur Integration der Schweiz in den europäischen Energiemarkt. Es braucht Zugang zu den entstehenden H2-Märkten. Am Ende müssen die Schweizer EVU wettbewerbsfähig sein im Vergleich zu europäischen EVU. Das gilt für den Netzbetrieb und eben auch für den Vertrieb. Hier sollten sich die Schweizer EVU zielgerecht weiterentwickeln, was ich auch bei einer Reihe von Unternehmen schon deutlich wahrnehme. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Weiterentwicklung der Netzsteuerung. Hier ist zwischen einer netzdienlichen versus einer marktgetriebenen Netzsteuerung abzuwägen. Durch eine Anpassung der Netzentgeltsystematik kann netzdienliches Verhalten belohnt und ein weitgehender Ausbau der Netze vermieden werden. 

Das Interview zeigt: Für Energieversorger und Verteilnetzbetreiber eröffnen sich ganz neue Herausforderungen und Perspektiven. Kontaktieren Sie die BET, wenn Sie hierbei Unterstützung brauchen. 
Kontakt:Dr. Christiane Michulitz
 

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Risiko: Ausgleichsenergiekosten
 

Peter Edel | Ulrich Rosen

Die Preisrallye an den Spotmärkten sorgt im Strom zurzeit auch bei der Ausgleichsenergie für Turbulenzen. Dabei wird es für Energieversorgungsunternehmen immer wichtiger, auf eine ausgeglichene Bilanzgruppe zu achten.

Steigende EE-Einspeisung und ein wachsender Anteil flexibler Prosumer stellen EVUs zunehmend vor Herausforderungen, wenn es um das Bilanzgruppen-Management und die Erstellung der Day-Ahead-Prognosen geht. Gleichzeitig hat Corona das Lastverhalten einzelner Verbraucher stark beeinflusst und die Prognose damit zusätzlich erschwert. 

Dass mit unzureichender Prognosegüte auch ein hohes Risiko für Energieversorgungsunternehmen einhergeht, zeigt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Spot- und Ausgleichsenergiepreise. Nach dem in der Schweiz gültigen und in den Bilanzgruppen-Vorschriften der swissgrid spezifizierten Ausgleichsenergiepreis-Mechanismus (AEPM) sind für den Fall einer Über- bzw. Unterdeckung zwei verschiedene Ausgleichsenergiepreise definiert (sog. Zweipreis-system). Sowohl der Preis bei Unterdeckung (short) als auch bei Überdeckung (long) orientiert sich dabei über Mindestabstände und Faktoren u. a. an Spot- bzw. an Regelenergiepreisen. Der Mechanismus sorgt dafür, dass relativ mit den Spot- und Regelenergiepreisen auch der hierzu minimale Abstand der positiven und negativen Ausgleichsenergiepreise steigt. 

Spot- und Ausgleichsenergiepreise bewegen sich zurzeit in Rekordhöhe

Nun setzt der an der EPEX notierte Spotpreis seinen Höhenflug seit Mitte letzten Jahres unaufhörlich fort und lag für den Juli 2021 im Mittel bereits bei 81 €/MWh. Damit hat sich der Spotpreis seit Mai 2020 von 17 €/MWh aus fast verfünffacht. Für die Ausgleichsenergie bedeutet das einen Anstieg der AE-short-Preise auf im Mittel ca. 120 €/MWh im Juli 2021. Und auch die Spanne der Ausgleichsenergiepreise ist gestiegen: Während im Mai 2020 90 % der AE-Preise noch etwa zwischen -10 und 50 €/MWh lagen, liegt das 90%-Band im Juli 2021 etwa zwischen 0 und 150 €/MWh.

Risiken durch Ausgleichsenergie gestiegen

Was bedeutet das für Bilanzgruppenverantwortliche EVUs? Das Risiko höherer Ausgleichsenergiepreise und höherer Preisschwankungen ist im Lauf des letzten Jahres kontinuierlich angestiegen. Zudem haben sich dabei auch die mittleren Mehrkosten durch Ausgleichsenergie gegenüber Spotpreisen im Laufe des letzten Jahres etwa verdoppelt (BG-short) bzw. verdreifacht (BG-long). Es gibt also genug Gründe für alle Bilanzgruppen-Verantwortlichen, verschärft auf die Prognosegüte und Ausgleichsenergiekosten zu schauen!

 

EVUs sollten Ausgleichsenergiekosten und Prognosegüte im Blick behalten


Welche Handlungsempfehlungen sieht BET für Bilanzgruppen-Verantwortliche? Um Risiken durch Ausgleichsenergiekosten zu minimieren, sollten EVUs ihre Prognosegüte und die mit den Bilanzgruppen-Abweichungen verbundenen Kosten durch Ausgleichsenergie kontinuierlich überwachen und bewerten. Folgende Fragen können dabei als erste Orientierung bzw. Checkliste dienen: 

  • Erfolgt zurzeit die kontinuierliche Bewertung der Prognosegüte/AE-Kosten? Wenn ja, wie und nach welchen Massstäben/Frequenz/Granularität? Werden Einflüsse von Preisspitzen analysiert?
  • Welchen Einfluss hat bzw. hatte Corona auf das spezifische Verbrauchsverhalten der eigenen Kunden und müssen die Prognosemodelle ggf. angepasst werden? 
  • Wie lassen sich die Risiken durch Ausgleichsenergie im Risikomanagement, z. B. bei der Kalkulation geeigneter Risikoaufschläge für Kundenpreise berücksichtigen?
  • Wo stehen die eigenen AE-Kosten und die Prognosegüte im Branchenvergleich?

Um einzuschätzen, wie die eigene Performance im Branchenvergleich einzuordnen ist, helfen Benchmarks, wie sie von BET regelmässig mit dem bundesweiten„Prognose- und Ausgleichsenergiebenchmark“ für deutsche Energieversorger durchgeführt werden. Hierbei wertet BET die Prognose- und Ausgleichsenergiekosten der teilnehmenden EVUs aus und stellt diese in einem individuellen Bericht anonymisiert gegenüber. Zusammen mit zusätzlichen, im Benchmark durchgeführten gezielten, individuellen Analysen, etwa nach systematischen Abweichungsstrukturen auf Monats-/Tagesebene oder der Tages- und Wochenstrukturen, konnten einige Teilnehmer bereits Optimierungspotenziale identifizieren. Wäre so ein Benchmark auch für Sie im Schweizer Markt interessant? Sprechen Sie uns an! 

Fest steht: Auch in Zukunft bleibt die Entwicklung der Ausgleichsenergiepreise vor allem auch mit Blick auf die Regelenergiemärkte spannend, zumal noch nicht klar ist, ob und wie eine Beteiligung der Schweiz an der Schaffung einer einheitlichen europäischen Regelenergieplattform möglich ist – mit potenziellen Auswirkungen auch auf die Ausgleichsenergie!
 

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